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Aktionstage

Am Valentinstag bedenken sich die Liebenden einander bekanntlich mit Blumenpräsenten, das weiß jedes Kind, das mal an einem Blumenladen vorbeigelaufen ist. Heute ist Weltfrauentag – und niemand weiß, was dieser uns sagen soll. Zu verdanken haben wir diesen Gedenktag der linkssozialistischen Politikerin Clara Zetkin, die einst im Jahre 1910 auf einer sozialistischen Frauenkonferenz die Einführung eines Frauentages vorschlug. Wann dieser Tag zelebriert werden sollte, war ihr egal. Hauptsache, es gibt einen Frauentag, denn schließlich hat das schwache Geschlecht einen eigenen Gedenktag verdient. Dass sich dieser nun jeweils am 8. März jährt, haben wir dem berühmten russischen Frauenrechtler Lenin zu verdanken, der ein paar Jahre später in Gedenken an Arbeiter- und Soldatenfrauen, die die Februarrevolution auslösten, dieses Datum fixierte.

Das alles liegt lange Zeit zurück. Das geschätzte Internetnachschlagewerk Wikipedia klärt uns über jüngere Geschichte des Weltfrauentages allerdings genau auf:

Zum Internationalen Frauentag 2003 war ein von der UNICEF propagiertes Motto „bessere Bildung für Mädchen“ mit dem Ziel, Mädchen besser vor Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Ferner wendeten sich Aufrufe gegen jede Diskriminierung von Frauen und Mädchen, gegen weibliche Genitalverstümmelung und gegen Kinderheirat. 2004 hatten einige Initiativen in Europa Schwerpunkte zum Thema Nepal. Im Jahr 2005 lautete das Motto: „Frauenrechte sind Menschenrechte – überall“.

Aber was ist mit den Jahren danach? 2006 ist längst verjährt. Wer sich allerdings über das Motto des diesjährigen Internationalen Weltfrauentages auf der Internetseite des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen informieren möchte, erfährt dort ausschließlich, dass UNICEF-Botschafter Blacky Fuchsberger am 11. März seinen 80. Geburtstag feiert. Das ist zwar schön, aber den benachteiligten Frauen auf der Welt hilft das wenig. Weil UNICEF vor lauter Feierei mit illustren Gästen wie Harry Belafonte und Sabine Christiansen vergessen hat, auf seiner Homepage einen dem heutigen Aktionstag angemessenen Content zu generieren und ein wohlfeiles Motto vorzugeben, ist Eigenintiative gefragt. So kämpft der Deutsche Gewerkschaftsbund Saar unter dem vielsagenden Motto „Weitergehen! Zwei Schritte vor. Keinen zurück.“, während sich die Stadt Lüdenscheid mit dem weniger kämpferischen „Gesund und schön“ zufrieden gibt. Wer gesund und schön genug ist, kann sich in Bad Oldesloe bei Bauchtanz und russischer Musik vergnügen.

Man kann das Vielfalt nennen oder Durcheinander. Damit wir uns auf die folgenden Aktions- und Gedenktage etwas besser vorbereiten können, gibt es hier eine umfassende Übersicht. Meine Wahlspruch-Vorschläge für die folgenden Gedenktage lauten:

  • Deutsch-Französischer Tag (22. Januar): „Lasst uns gemeinsam ein Baguette essen“ oder „Froschschenkel zum Frühstück“
  • Welttag der sozialen Kommunikationsmittel (24. Januar): „Richtet Euren Nachbarn ein Weblog oder eine Myspace-Seite ein – zur Not tut es auch ein XING-Account“
  • Welttag der Feuchtgebiete (2. Februar): „Neue Dränagen für das Alstervorland“
  • Europaweiter Safer Internet Day (7. Februar): „Safer Surfing – niemals ohne Schutz“
  • Welttag der Kranken (11. Feburar): „Lasst uns froh und munter werden!“
  • Internationaler Darwin Day (12. Februar): … stirbt vermutlich irgendwann aus. (Das ist nicht das Motto, sondern meine Prognose für diesen Gedenktag, Anm. d. Red.)
  • Internationaler Tag der Muttersprache (21. Feburuar): „Lasst uns gemeinsam ‚Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod‘ lesen“
  • Pi-Tag (14. März): „Lasst uns einen großen Kreis bilden und laut die ersten 100 Stellen von Pi ausrufen!“
  • Welttag des Waldes (21. März): „Bäume umarmen – Freunde fürs Leben finden!“
  • Welttag der Hauwirtschaft Hauswirtschaft (21. März): „Männer zurück an den Herd (und Frauen auch)“ oder „Eigner Herd ist Goldes wert“
  • Welttag der Poesie (21. März): „Gemeinsam dichten – wird’s schon richten.“
  • Weltwassertag (22. März): „Wasser auf die Mühlen!“
  • Welttag der Meteorologie (23. März): „Kachelmann for President!“ oder „Befreit die Wetterfrösche aus ihren Weckgläsern!“
  • Welttag des Theaters (27. März): „Macht doch mehr Theater“
  • Tag der älteren Generation (erster Mittwoch im April): „Gegen sozialverträgliches Frühableben – für die Rentnerschwemme
  • Girl’s Day (letzter Donnerstag im April): „Mädchen an die Macht!“
  • Tag der Erde (22. April): „Sie soll sich ewig weiterdrehen!“
  • Tag des Deutschen Bieres (23. April): „Bier her, Bier her – oder wir fall’n um!“ oder einfach nur „Prost!“
  • Welttag des geistigen Eigentums (26. April): „Denkt immer daran.“
  • Internationaler Tag des Tanzes (29. April): „Tritt dem Partner auf die Füße!“
  • Weltlachtag (erster Sonntag im Mai): „Lach Dich schön und gesund und auch ein bißchen klug“
  • Weltfernmeldetag (17. Mai): „Von der Flaschenpost zum Internet“
  • Welt-Schildkröten-Tag (27. Mai): „Eure Panzer haben wir gern“
  • Tag der Organspende (erster Samstag im Juni): „Gutes tun – Herzen verschenken (Eure kaputte Leber könnt Ihr behalten!)“
  • Weltmilchtag (1. Juni): „Milch macht müde Männer munter!“
  • Internationaler Hurentag (2. Juni): „Support your local whore!“
  • Kindersicherheitstag (10. Juni): „Gurtpflicht auch für kleine Menschen“
  • Tag des Schlafes (21. Juni): „Dann mal Gute Nacht!“
  • Internationaler Tag der selbstgemachten Musik (21. Juni): „Greif mal wieder zur Triangel“
  • Tag des Systemadministrators (letzter Freitag im Juli): „Danke für stabile Netze“
  • Internationaler Katzentag (8. August): „Garfield is God!“
  • Weltlinkshändertag (13. August): „Lasst Euch nicht umdrehen – die Rechten haben uns noch nie weitergebracht“
  • Tag des Deutschen Butterbrotes (letzter Freitag im September): „Butter aufs Brot – gegen Margarine und Nußnougatcreme“
  • Deutscher Kopfschmerztag (5. September): „Freies Aspirin für alle!“
  • Welt-Suizid-Präventionstag (10. September): „Überlegt es Euch nochmal – das Leben ist so schön“
  • Weltspartag (letzter Werktag im Oktober): fällt aus, zu hohe Sparquoten sind Gift für die sich gerade erholende Binnenkonjunktur
  • Welt-Vegetariertag (1. Oktober): „Esst mehr Blumen und Bäume“
  • Kauf-Nix-Tag (4. Freitag im November): „Verschiebt Euren Konsum auf morgen und gönnt den Beschäftigten des Einzelhandels einen ruhigen Arbeitstag, an dem sie niemand beim Bohren in der Nase stört.“
  • Tag der Erfinder (9. November): „Daniel Düsentriebs dieser Welt – stürmt die Patentämter!“
  • Welttag der Toleranz (16. November): „Seid doch nett zueinander!“
  • Welttoilettentag (19. November): „Männer nehmt Platz!“
  • Weltbodentag (5. Dezember): Dazu fällt mir beim besten Willen nichts ein.
  • Welt-Anti-Korruptions-Tag (9. Dezember): „Siemens-Beschäftigte, lasst Euren Volkswagen stehen!“

Ihr seht: Feste feiern kann man gar nicht genug. Vorschläge für weitere Gedenktage und griffigere Slogans nehme ich in den Kommentaren selbstverständlich gern entgegen.

19 Antworten auf „Aktionstage“

@Kreuzberger: Danke für den Hinweis. Da hat sich ein Schreibfehler eingeschlichen, den ich mittlerweile berichtigt habe.

Der Tag der Hauwirtschaft wäre noch zu vergeben. Welchen Tag und welches Motto schlägst Du vor?

Wenn ich drüber nachdenke, gibt es den Tag der Hau-Wirtschaft schon. Die Autonomen feiern ihre Wirtschaftskritik ja schon seit 20 Jahren am 1. Mai in Kreuzberg, inklusive brennender Supermärkte und fliegender Steine. Und gehauen wird da auch jede Menge. Das Motto ist wohl „Macht kaputt, was Euch kaputt macht.“

Denk doch bitte auch an den Kindertag:

Der Termin des Kindertages variiert sehr stark zwischen den einzelnen Staaten. Über 30 Staaten übernahmen jedoch von China und den USA den 1. Juni als Termin. Dieser wird auch als internationaler Kindertag bezeichnet.

Schönes Posting. Kam von deiner eben abgesetzten Twitter-Meldung hierher und hab erst ganz am Schluss des Beitrages gemerkt, dass er schon ein Jahr als ist. Aber immer noch sehr aktuell und immer noch lehrreich. Wusste zum Beispiel gar nicht, dass der 21. März Tag des Waldes und Tag der Poesie zugleich ist. Dazu passt ja mein heutiger Artikel über getanzte Waldpoesie. ;-)

Und als Saarländer habe ich natürlich besonders über den Deutschen Gewerkschaftsbund Saar und sein vielsagendes Motto geschmunzelt.

Nun, zum Weltfrauentag möchte ich nur sagen, dass ich den persönlich als eher diskriminierend für die Frauen empfinde, und daher wenig damit anfangen kann.

Also, bisher habe ich mich wegen des Weltfrauentags noch nicht diskriminiert gefühlt.
Aber jetzt, wo Sie das sagen, Herr Markus…..
ich versuche gleich, mich ein wenig zu echauffieren und etwas Gemeines über die Kerle zu schreiben. Hat man doch sonst so selten Gelegenheit dazu! ;)

Und Ihnen, Bosch, möge heute noch eine dunkelschwarze Katze mehrfach (!)über den Weg laufen – und zwar in Unglück bringender Richtung! Zur Strafe dafür, daß Sie mich ebenfalls glauben machten, der Text sei brandneu *pffft.

@Cara: Ich habe nie behauptet, dass dieser Text brandneu sei. Aber so zeitlose Klassiker kommen irgendwie nie aus der Mode. Das traurige an Blogs ist doch wirklich, dass nicht die guten, sondern immer nur die neuen Texte oben stehen …

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